Landschaftsmaler der Romantik
Als am 29. Mai 1934 auf Antrag der norwegischen Regierung die sterblichen Überreste der Familie des Landschaftsmalers und Professors an der Dresdner Kunstakademie Johan Christian Dahl exhumiert und in seinen Geburtsort Bergen überführt wurde, blieb glücklicherweise die Grabplatte mit seinem Namen, dem seiner zweiten Frau und dem des gemeinsamen Sohnes Harald zurück.
Eine umfangreiche Gedächtnisausstellung zu Ehren seines 200. Geburtstags fand 1988 in Oslo und Dresden statt. Die sächsische Residenz sollte dem jungen Landschaftsmaler 1818 lediglich als Auftakt einer vom dänischen Königshaus geförderten Studienreise nach Deutschland, Italien, Frankreich und England dienen. Mögen das Aufsehen seiner unakademischen Kunstauffassung, die nähere Bekanntschaft mit Caspar David Friedrich und die rasche Gewöhnung an das künstlerische Leben der Stadt ihren Teil dazu beigetragen haben, Dresden als ständigen Aufenthaltsort zu wählen, so war dafür doch der eigentliche Grund Emilie von Block (1801–1827), die er am 12. Juni 1820 heiratete. Einen Tag später trat er seine Italienfahrt mit längeren Aufenthalten in Quisisana, Neapel und Rom an, kehrte erst am 27. Juli 1821 nach Dresden zurück, gab aber nunmehr den Plan einer Übersiedlung nach Kopenhagen endgültig auf. 1823 wählte Dahl Wohnung und Atelier im Hause »Am Elbberge 33«, in dem auch Caspar David Friedrich wohnte. Beide wurden ein Jahr später in der Nachfolge Johann Christian Klengels zu Professoren an der Kunstakademie, wenn auch ohne Lehrstuhl, ernannt. Vorherrschend in Dahls Malerei waren die vielfältigen Naturmotive seiner etwas rauhen nordischen Heimat. Auf seinen fünf Reisen nach Norwegen zwischen 1826 und 1850 fand er immer aufs Neue Anregung zu seinen eigenwilligen, mitunter auch schroffen malerischen Landschaftsschilderungen. Meisterhaft sind seine zahlreichen faszinierenden Wolkenstudien.
Dem Kunsthistoriker und Denkmalschützer Dahl ist wesentlich der Aufschwung nationaler Kunst und Kultur seines Vaterlandes zu danken. Neben der Gründung eines Altertums- und eines Kunstvereins muss vor allem die Bildung der Nationalgalerie in Kristiania, dem heutigen Oslo, genannt werden. Die Stabkirche Wang, eine mittelalterliche norwegische Kirche aus Vang am Vangsee, rettete er vor dem Verlust, indem er sie ankaufte und mit Hilfe Friedrich Wilhelms IV. von Preußen 1842 in das schlesische Brückenberg (heute Polen, Karpacz Górny) umsetzen ließ.
Zum 80. Jahrestag der Umbettung nach Bergen
Dr. Marion Stein
Der im norwegischen Bergen am 24. Februar 1788 geborene Johan Christian Dahl fand im Alter von 30 Jahren in Dresden seine Wahlheimat. Seinem Vater folgend sollte Dahl den Seedienst zum künftigen Beruf wählen. Er wurde jedoch auf eigenen Wunsch davon befreit, als man sein zeichnerisches Talent entdeckte. Ersten Zeichenunterricht erhielt er bei einem Schullehrer. Anschließend absolvierte er eine siebenjährige Lehre als Dekorationsmaler in seiner Geburtsstadt Bergen. Es folgte ein Studium von 1811 bis 1817 an der Kunstakademie Kopenhagen. Mit Förderung des dänischen Königshauses begab er sich dann auf Reisen. Geplant war eine ausgedehnte künstlerische »Grand Tour«. Im September 1818 machte er Station in Dresden, wo er zunächst für knapp zwei Jahre blieb. Hier fand er inspirierende Motive für seine Landschaftsporträts, die häufig den Blick auf die Elbe und die Silhouette der Frauenkirche zeigten. Bereits im Spätsommer 1819 war Dahl in Dresden zum ersten Mal mit fünf Gemälden bei der alljährlichen Akademie-Ausstellung vertreten, für die er von den Kunstkritikern hoch gelobt wurde. Ein Jahr später wurde er Mitglied der Dresdner Kunstakademie.
Auf Einladung des fast gleichaltrigen dänischen Prinzen Christian Frederik (dem späteren König Christian VIII.), der sich auf einer Europareise befand, begab sich Dahl nach Neapel. Einen Tag vor seiner Abreise heiratete er am 12. Juni 1820 in der Kreuzkirche zu Dresden die verarmte Emilie von Block (1801–1827). Sie war die Tochter des Freimaurers und 1. Inspektors (Kurators) des Grünen Gewölbes, Hofrat Peter Ludwig Heinrich von Block. Ende Juli 1821 kehrte Dahl von seiner Italienreise zu seiner Frau in die Elbmetropole zurück, da die erhoffte Unterstützung des dänischen Prinzen ausblieb. Seit 1823 wohnte er mit Caspar David Friedrich, mit dem ihn seit Jahren eine enge Freundschaft verband, im Haus »An der Elbe Nr. 33« (1857 verstarb er auch in diesem Haus – durch eine Änderung der Nummerierung der Häuser wurde aus Nr. 33 die Nr. 9). 1824 wurde Dahl ebenso wie Friedrich zum außerordentlichen Professor der Kunstakademie ernannt. Er bezog nun ein regelmäßiges Honorar. Einen festdotierten Lehrstuhl lehnte er ab, da ihn dies zu sehr in seiner (Reise-)Freiheit einschränkte. Zwischen 1826 und 1850 unternahm Dahl fünf ausgedehnte Studienfahrten in seine Heimat Norwegen.
Privat war ihm nur wenig Glück beschieden: Seine erste Frau Emilie stirbt mit 26 Jahren wenige Tage nach der Geburt ihres vierten Kindes Siegwald im August 1827. Sie wurde auf dem Pesterwitzer Friedhof im Grab ihrer bereits 1816 verstorbenen Mutter Caroline, geb. von Bege, beigesetzt. 1829 verstarben auch Dahl’s Kinder Alfred und Marie an Scharlach. Am 2. Januar 1830 heiratete Dahl in Breslau seine Malschülerin Amalie Friederike von Bassewitz, die noch im selben Jahr im Kindbett am 11. Dezember, früh 5 Uhr an Lungenlähmung verstarb. Auch der gemeinsame Sohn Harald sollte ihr fünf Jahre später folgen. Beide fanden in zwei nebeneinander liegenden Gräbern auf dem Eliasfriedhof ihre Ruhestätte.
1850 reiste Dahl zum letzten Mal, zusammen mit seinem Sohn Siegwald, nach Norwegen. Dort besuchte er seine Tochter Caroline (1822–1894) in Kristiania (heute Oslo), die am 8. Mai 1848 in Dresden den norwegischen Offizier und Politiker Ander Ørsted Sandøe Bull geheiratet hatte. Am 14. Oktober 1857 »früh ¼ 10 Uhr« verstarb Dahl in Dresden nach kurzer Krankheit im Alter von 69 Jahren an Schwäche und wurde drei Tage später auf dem Eliasfriedhof im Grab seines Sohnes Harald beigesetzt. Die mit Dahl freundschaftlich verbundene Kunstmäzenin Friederike Serre, geb. Hammerdörfer, schildert in ihrem Brief an den dänischen Dichter Hans Christian Andersen in Kopenhagen die letzten Stunden von Dahl: »Hier ist dann auch Manches Trübe […] vorgekommen; als ich von der Taufe des 2ten Sohnes meines Carls zurück kam, fand ich 2 Zeilen von Sigwald, welcher angstvoll mich hin berief wo ich seinen Papa, von einer schlagähnlichen Lähmung wie eine lebendige Leiche fand. Er erkannte mich sofort, ergriff meine Hände […] als ich gehen wollte, hielt er mich fest […] Da bin ich denn auch nicht gewichen, und als er am andern Morgen die Augen schloss, half ich Sigwald über die schweren Pflichten der Bestattung […] theilnehmend hinweg. […] Es starb mit Dahl ein wahrer Künstler, und ein braver herrlicher Mensch!«.
Dahl sollte jedoch auch nach seinem Tod keine Ruhe finden. Wie zu Lebzeiten blieb er ein Reisender zwischen den Welten: In seiner Heimatstadt Bergen hatte man ihn nicht vergessen, war er doch der erste Maler Norwegens, der internationalen Rang erlangte. Dort befürchtete man anscheinend, dass das Grab ihres berühmtesten Malers dem Verfall anheimfallen könnte. Denn seit 1919 mehrte sich die Kritik am vernachlässigten Zustand des Eliasfriedhofs, nachdem dort 1876 die letzte Bestattung stattfand. 1928 wurde der Totengarten vollständig für die Öffentlichkeit geschlossen. Seitdem war der Friedhof der Vergänglichkeit preisgegeben. So erscheint es nicht verwunderlich, dass die norwegische Regierung einen Antrag auf Umbettung der sterblichen Überreste von Dahl stellte. Vor genau 80 Jahren, am 29. Mai 1934, wurden seine Gebeine wie auch die seiner zweiten Frau und des gemeinsamen Sohnes mit Genehmigung der sächsischen Behörden exhumiert. Dahl trat nun seine allerletzte Reise von Dresden nach Bergen an. Hier wurde ihm eine besondere Ehre zuteil: Mit großem Engagement hatte Dahl sich zeitlebens der Pflege von norwegischer Kunst und Kultur angenommen. So hatte er unter anderem die Håkonshalle, die königliche Residenz- und Ausstellungshalle, als wertvolles Kulturgut wiederentdeckt und sich für deren Wiederaufbau stark gemacht. Von dieser Halle aus wurde er nun auf den 1629 als Pestfriedhof angelegten Sankt Jacobs kirkegård überführt, dessen Schließung bereits im Jahre 1920 erfolgt war. Dahls Grab schmückt seit 1991 eine monumentale Figur, einen Maler mit Skizzenblock darstellend. Gefertigt von dem norwegischen Bildhauer Per Palle Storm (1910–1994) und in Auftrag gegeben von »Det nyttige Selskab«, einer 1774 in Bergen gegründeten Organisation, die sich der architektonischen Verschönerung der Stadt Bergen verschrieben hat. In Dresden verblieb die schlichte Grabplatte aus Granit mit seinem Namen, dem seiner zweiten Ehefrau Amalie und des Sohnes Harald.
Die Platte liegt heute entgegen den Angaben der Grablegungsbücher um zwei Reihen versetzt – vermutlich in Folge der Exhumierung.