Dr. Marion Stein
Der Eliasfriedhof zählt ohne Zweifel zu den herausragenden Sehenswürdigkeiten Dresdens. Dieses Kleinod ist nicht nur ein unerschöpfliches »lebendiges Geschichtsbuch« der Sozial- und Kulturgeschichte Dresdens, sondern sein unschätzbarer sepulkraler Reichtum zeichnet ihn auch als ein anerkanntes Denkmal von europäischem Rang aus. Unser imaginärer Spaziergang über den Eliasfriedhof beginnt vor über 300 Jahren und wird den historischen Entwicklungsphasen der Friedhofsanlage folgen.
Im Jahre 1680 hatte die Pest zum letzten Mal in der bewachten Festung Dresden ihren tragisch-triumphalen Einzug gehalten. Nach einem alten Kirchenzettel wurden von den rund 15.000 Einwohnern gut ein Drittel, sprich 5.103 Menschen vom »Schwarzen Tod« dahingerafft; andere Quellen sprechen sogar von 11.517 Opfern. Das »Große Sterben« zwang den Rat der Stadt, den bereits bestehenden Johanniskirchhof zu erweitern und auf Anordnung des Kurfürsten Johann Georg II. in aller gebotenen Eile auf den freien Feldern, draußen vor dem Ziegeltore, einen abgesonderten Seuchen- oder Pestfriedhof anzulegen. Die Kosten für den Grunderwerb und die Einrichtung desselben sollten aus dem »Gotteskasten« bestritten werden. Um sich der Pestleichen schnell zu entledigen, wurden sie ohne Gepränge im westlichen Teil des Friedhofes in Massengräbern verscharrt. Stadtplan von Dresden, um 1690 ( Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, Signatur/Inventar-Nr.: Schr 009, F 001, Nr 002 & (KH 138)).
Nach Erlöschen der Pest blieb der Eliasfriedhof zur allgemeinen Nutzung offen. Die gehobenen Stände bevorzugten jedoch weiterhin den ältesten Dresdner Stadtfriedhof, den Kirchhof um die alte Frauenkirche, sowie den 1571 angelegten und seither sehr beliebten Kirchhof St. Johannis vor dem Pirnaischen Tor, denn diese beiden Gottesäcker beherbergten neben ihren Begräbniskirchen die begehrten Schwibbögen für die Familienbegräbnisse und künstlerisch hochwertige Grabmale. Gegen diese traditionsreichen Kirchhöfe konnte sich der Eliasfriedhof seinerzeit nicht durchsetzen. So diente er zunächst als Begräbnisplatz für die Armen, die ihre Toten hier unentgeltlich bestatten konnten.
Nach der Aufhebung des Frauenkirchhofs im Zusammenhang mit der Errichtung der neuen großen Kuppelkirche von George Bähr erwies sich im Jahre 1724 die Anlegung eines neuen Begräbnisplatzes als dringend erforderlich, so dass man den sogenannten »Armen-Gottes-Acker«, sprich Eliasfriedhof, um ein Stück Feld erweiterte. Allerdings hatte der dafür zuständige Gouverneur der Stadt, Christoph August von Wackerbarth, seine Zustimmung nur unter der Bedingung erteilt, dass der Gottesacker nicht zu nahe dem vor der Stadtmauer gelegenen kurfürstlichen Lustgarten, also dem »Großen Garten«, komme und auch auf der Fahrt dahin den daran vorbei passierenden hohen Herrschaften »nicht sonderlich ins Gesichte« falle, zugleich aber auch in gehöriger Distanz von der Festung Dresden bleibe. Weder formale noch ästhetische Gesichtspunkte hatten das bisherige Erscheinungsbild des Eliasfriedhofes bestimmt. Erst mit der Erweiterung erhielt er seine bis heute bestehende Flächengliederung, die insbesondere durch die umlaufenden Erbbegräbnisstätten entlang der Friedhofsmauer geprägt ist.
Als Ersatz für die Schwibbögen auf dem säkularisierten Frauenkirchhof ließ man für die »Honoratiores« der Residenz auf dem Eliasfriedhof repräsentative Grufthäuser errichten. Mit der Neugestaltung der Anlage wurde kein Geringerer als der Architekt der neuen Frauenkirche, George Bähr, beauftragt. Einer Gesamtkonzeption unterliegend, entstanden an der Nord- und Westseite der Umfassungsmauer in sich geschlossene Grufthäuser, die durch ein gemeinsames Ziegeldach miteinander verbunden waren. Charakteristisch ist ihre Schwibbogenarchitektur, deren Öffnungen mit schmiedeeisernen, mannigfaltig gestalteten Barock- und Rokokogittern geschlossen wurden, die für die bemerkenswerte Kunstfertigkeit des zeitgenössischen Schmiedehandwerks stehen. Die unterirdischen kellerartigen Gewölbe beherbergten die Särge. Im oberen Gruftraum fanden wertvolle Grabdenkmäler, Epitaphien, aber auch Gemälde ihren Platz – Zierrat wie Kränze, Palmzweige oder Totenkronen wurden zum Gedächtnis in Vitrinen aufbewahrt. Durch diese Grufthäuser erfuhr der Eliasfriedhof in der Regierungszeit von Kurfürst Friedrich August I. (genannt August der Starke) eine ungemeine gesellschaftliche Aufwertung. Diese privilegierten Bestattungsorte dienten fortan dem Adel und dem Dresdner Bildungsbürgertum zur gesellschaftlichen Repräsentation und zum individuellen Nachruhm. So besaß im 18. Jahrhundert eine wohlhabende Dresdner Familie nicht nur ihr Stadthaus und ihr »Plaisir«, d. h. ihren Weinberg in Loschwitz oder in der Lößnitz, sondern auch ihre eigene Gruft auf dem Eliasfriedhof.
Auch die Reihen innerhalb der Grabfelder füllten sich rasch mit künstlerisch wertvoll gestalteten Denkmalen. Die Belegung auf dem Friedhof erfolgte willkürlich, die einzige erkennbare Ordnung bestand darin, dass die Gräber – »ex oriente lux« – geostet wurden. Die Grabsteine waren vorwiegend aus Elbsandstein gefertigt und teilweise farbig gefasst. Die Grabmale, deren Formen die Entwicklung vom Barock über Rokoko bis hin zum Klassizismus repräsentieren, können als einzigartige und beredte Zeugnisse kunst- und kulturhistorischer Epochen angesehen werden. Geschaffen wurden sie nach Entwürfen namhafter Künstler wie Johann Christian Kirchner (1691-1732), Caspar David Friedrich (1774-1840), Christian Gottlieb Kühn (1780-1828), Franz Pettrich (1770-1844) oder Gottlob Friedrich Thormeyer (1775-1842), die zum einmaligen und unersetzbaren Wert der Gesamtanlage beitragen. Zahlreiche bedeutende und weit über Dresden hinaus berühmte Persönlichkeiten wurden auf dem Eliasfriedhof bestattet. Von den vielen seinen stellvertretend genannt: die Landschaftsmaler Johann Christian Klengel (1751-1824) und Johan Christian Clausen Dahl (1788-1857), der Komponist Johann Gottlieb Naumann (1741-1801) sowie der evangelisch-lutherische Oberhofprediger Christoph Friedrich von Ammon (1766-1850).
Am 21. Juni 1876 erfolgte auf dem Eliasfriedhof die letzte Bestattung. In Folge dessen wurde das Erscheinungsbild der Anlage nicht mehr geplant verändert und so konserviert, wie sie bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bestand. Seit dem ist der Friedhof der Vergänglichkeit preisgegeben: vieles ist verfallen und durch Vandalismus zerstört. Der Förderverein Eliasfriedhof Dresden e. V. hofft, dass es mit Hilfe Vieler gelingt, dieses einzigartige Kulturerbe zu erhalten und der Öffentlichkeit wieder zugängig zu machen.
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